Rad-WM in Hamilton

Hamilton, den 4. bis 12. Oktober. Die sonst so monoton ihrem gut einstudierten Alltagstrott folgende Stadt ist außer Rand und Band. Die Hauptader der Stadt, die „Aorta“ Main Street, abgesperrt. An jeder Kreuzung mindestens zwei Polizisten. In der Luft Hubschrauber, mindestens drei. Krieg? Verbrecherjagd? Ausnahmezustand? Naja, ein bisschen von allem: die Rad-WM kommt nach Hamilton. Und damit auch ja kein Hamiltoner dieses „fantastische“ Ereignis verschläft, hat man die Strecke natürlich mitten durch die Innenstadt gelegt. Die Main Street fahren sie entlang, dann Richtung Escarpment. Dort scheucht man sie den Berg hoch (ich bin da auch hochgeeiert und habe tierisch gekeucht, diese Steigung is viehisch!), lässt sie oben ne kleine Runde drehen. Dann gehts den Berg runter, dort ne Spitzkurve und wieder rauf auf den Hügel und so weiter und so weiter. Nunja, man zwingt ja keinen, alle Fahrer sind meines Wissens nach freiwillig hier. Und es gibt ja auch was zu holen… ein WM-Titel winkt…!
Naja, für’s Profi-Radfahren hab ich mich zwar noch nie wirklich interessiert („Nein, die Tour de France ist nicht ’spannend‘!“ ©), aber wenn man schon mal ’ne WM vor der Haustür hat, das will man dann doch nicht verpassen. Das ganze Spektakel ging eine Woche lang, jeden Tag irgendwas anderes. Unser erster Versuch, dort was zu sehen, scheiterte leider. Bis Scott mal so aufgestanden, geduscht und abmarschbereit war, hat’s dann doch wieder etwas gedauert und als wir dort waren, war für den Tag schon alles gelaufen. Aber zumindest haben wir ein Faltblatt in die Hand gedrückt bekommen mit allen Strecken und Terminen.

Und so war unser zweiter Feldzug schon erfolgreicher. Samstag, der 11. Oktober. Das Finale der Frauen. Und wir mitten drin. Gut, wenn man Leute kennt, die in der Main Street wohnen, nah am Geschehen. Dort konnten wir das Auto parken. Und dann auf ins Getümmel. Das Erste, was wir sehen, ist die Südkurve. Ein großer, flexibler Kameraarm ragt ins Geschehen. Und, wie auf Bestellung kommt eine Gruppe von etwa 10 Radfahrerinnen durch das Bild gerauscht. Zeit für die erste Fotoserie. Man berichtet uns, das sei schon die letzte Runde. Schnell machen wir uns auf den Weg zum Zieleinlauf. Eine Runde dauert etwa 17 Minuten, genug Zeit also, denn weit ist dieser nicht entfernt. Natürlich ist alles voller Menschen. Und der eigentliche Zieleinlauf ist abgezäunt. Dort hat man Tribünen aufgebaut, auf denen man sich gegen ein entsprechendes Entgelt eine gute Sicht erkaufen kann. Preislich außer Reichweite für einen Studenten, versteht sich. Aber wir haben da auch schon ’ne ganz andere Option in Aussicht: Man hat eine Brücke gebaut, um den Menschenmassen die Möglichkeit zu geben, die Straßenseite zu wechseln ohne einen Auffahrunfall mit den potenziellen Weltmeisterinnen zu verursachen. Damit die Leute nicht auf jener Brücke stehen bleiben, hat man zwei Maßnahmen ergriffen: zum einen hat die Brücke einen Sichtschutz, obschon dieser eigenartigerweise sporadisch kreisförmige Gucklöcher vorsieht, zum anderen und schon bedeutend überzeugender, ziehen auf der Brücke Wachmänner ihre Kreise, die die Passanten doch eindringlich auffordern, „bitte“ weiterzugehen. Doch auch im Vorübergehen kann man ein paar Fotos schießen und so laufen wir von der einen Seite der Brücke zur anderen und wieder zurück und wieder hin… kein Officer kann uns daran hindern. Nun ja, der Zieleinlauf geht ziemlich schnell: die versprengten ersten Plätze, danach das immernoch zusammenhängende Hauptfeld mit dem allergrößten Teil der Fahrerinnen und nur wenig später ein paar verkleckerte Grüppchen, die wohl nicht mithalten konnten. 5 Minuten später ist es vorbei. Eine Belgierin hat wohl gewonnen. Umringt von einer unglaublich mächtigen Schar rückwärtslaufender und dabei eifrig fotografierender Fotografen tritt sie den Weg Richtung Tribüne an. Einige Zeit später öffnet man die Gitter und gibt die Strecke frei. Wir schlendern die „Boxen“ ab, um zu sehen welche Länder alles vertreten sind. Irgendwo finde ich auch die Box von Deutschland, aber dort ist keiner, die sind wohl schon nach Hause. Keine schlechte Idee eigentlich… noch ein paar Fotos und dann gehen wir auch nach Hause. Das Wesentliche haben wir gesehen und dort stundenlang rumzustehen und auf das alle Viertelstunde durchs Bild ziehende Hauptfeld der Fahrerinnen zu warten, darauf hatten wir eh keine Lust.
So ähnlich habe ich es dann auch am nächsten Tag gemacht. Nur raffinierter. Sonntag. Das Finale der Herren. Um das Ende nicht zu verpassen, lasse ich mir über’s Internet live die Zeiten durchgeben, so weiß ich immer, die wievielte Runde sie gerade fahren und nebenbei wer vorne is… als sie dann in die vorletzte Runde gehen, fahre ich raus, um Fotos zu schießen. Lustig fand ich am zweiten Tag, dass alle paar Häuser jemand seinen kleinen Fernseher rausgetragen hatte und oft große Trauben von Leuten sich davor angesammelt hatten um den Rest der Strecke zu verfolgen.